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Der ausartende Krawattenstreit

Amtsgericht Mannheim
Der vorsitzende Richter Johannes Jülch besteht auf den Langbinder bei Robenträgern. Zwischenzeitlich nimmt er die bei ihm erscheinenden Anwälte genau unter die Lupe. Trägt ein solcher Rechtsvertreter keine Krawatte, mahnt er ihn ab. Nachdem wohl seine Abmahnung wenig fruchteten, schloss er kürzlich einen Nebenklage-Vertreter von der Verhandlung aus.

Richter Jülch setzt konsequent die Verordnung des Justizministeriums über die Amtstracht bei ordentlichen Gerichten durch, die besagt, dass zur Amtstracht ein weißes Hemd mit weißem Langbinder zu tragen ist.

Dieser Krawattenstreit sorgte für Furore. Die Richter formierten sich und stellten sich hinter ihren Kollegen Johannes Jülch. Das vorläufige Ergebnis formuliert der Amtsgericht-Pressespecher Ulrich Krehbiel so: „Bei mir kamen sie gestern alle astrein gekleidet zur Verhandlung.“ Und augenzwinkernd staune er, welch besonders schöne Krawattenexemplare im Amtsgericht zur Schau gestellt worden wären.

Augenzwinkernd mag man sich beim Mannheimer Anwaltsverein indes nicht geben. Das sei ein überflüssiges Thema und störe das gute Klima zwischen Richtern und Anwälten, mit dem sich Mannheim bisher von anderen Städten abgehoben habe. Das Streitende herbeisehnend wartet der Vorsitzende des Mannheimer Anwaltsvereins Dr. Jörg Meister auf den Ausgang der Beschwerde, die ein ebenfalls wegen fehlender Krawatte ausgeschlossener Anwalt beim Amtsgericht eingereicht habe.

Aber auch aus der Mannheimer Anwaltschaft gehen Stimmen hervor, die sich zur Gerichtsbezogenen Krawatte bekennen: „Ich würde nie ohne Halskleid vor Gericht erscheinen, und ich kenne auch keinen anderen Strafrechtler in Mannheim, der sich das erlauben würde“, sagt Strafverteidiger Steffen Kling, der sich über den Krawatten-Krach nur wundern kann.

Wie der Krawattenstreit auch immer ausgehen mag. Der Vorsitzende des Richterrats Helmut Bauer legt sich bereits dahingehend fest, ab sofort Krawatten-Krach zu schlagen, sollte ein Rechtsvertreter oben ohne auftauchen. Herr Jülch habe einfach gute Argumente und deshalb zeige er sich schon aus sachlichen Gründen solidarisch mit ihm.

Warum vergisst man eigentlich das wichtigste Argument, den gemeinen Bürger? Hat er nicht Anspruch auf beste „handwerkliche“ Leistung? Gehört da nicht auch Auftreten und Würde des Gerichts dazu? Fühlt der vor Gericht stehende Bürger sich nicht benachteiligt, wenn Richter samt gegnerischem Anwalt gepflegt mit Robe und Krawatte auftreten und sein Anwalt eben nur mit Straßen- oder Freizeitkleidung daherkommt?

3 Kommentare zu “Der ausartende Krawattenstreit

  1. Für alle, die aus Norddeutschland oder andere entstaubten Gegenden in Richtung Mannheim fahren.
    Bitte stellen Sie das Datum ihrer technischen Geräte um 42 Jahre zurück.

  2. „…wenn Richter samt gegnerischem Anwalt gepflegt mit Robe und Krawatte auftreten“

    Selten so gelacht. Strafrichter sind oft von den Angeklagten nicht zu unterscheiden, erscheinen in Hemden mit Eierflecken, und bei der Verkündung müssen sie aufstehen – dann sieht man die ausgewaschene Jeans darunter.

  3. Ich komme aus Bayern. Dort ist mir sowas gänzlich unbekannt. Weißes Hemd mit Krawatte, davon habe ich ja noch nie was gehört! Sicherlich achte auch ich auf ordentliche Kleidung, aber so was? Hier bei uns gibt es Richter mit pomadigem Pferdeschwanz, mit Turnschuhen, mit Jeans, mit – Gott bewahre – weißen Socken. Unser AmtsgerichtsDIREKTOR trägt Hausschuhe, die sind so schön bequem. Und Robe trage ich eigentlich grundsätzlich, auch wenn´s nicht vorgeschrieben ist. Ich finde sie schick, es ist eine Art Uniform, di mich dann doch vom Mandanten unterscheidet und – ganz wichtig – sie kaschiert doch die eine oder andere Unzulänglichkeit bei der Kleiderwahl. Ich kann mich erinnern, dass ein Prüfling beim ersten Staatsexamen keinen Anzug, sondern lediglich einen Pullover trug. Auch da hat sich der Professor echauffiert. Dies quittierte der so Kritisierte mit den Worten: „mein Pullover war teurer als ihr ganzer Anzug!“ Welche Examensnote er bekam, ist mir leider nicht bekannt.

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