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Knacki darf Roben nähen

Ein komisches Gefühl kann einen schon beschleichen, wenn man sich vorstellt, wie freudig der zu Knast verdonnerte JVA-Insasse dem Herrn eine Robe nähen darf, der ihn zum Einsitzen verurteilt hat.
Sklavenarbeit, perverse Demut reuiger Sünder …?
Ein komisches Gefühl kann einen auch schon beschleichen, wenn man sich vorstellt, wie sich ein Richter in der Robe fühlt, die möglicherweise gerade von dem genäht wurde, den er zu langjähriger Haft verurteilt hat.

Unabhängig komischer Gefühle ist es Usus, dass verschiedene JVA´s Roben für Richter und Staatsanwälte produzieren und verkaufen. Der Bayerische Rundfunk berichtet in BR-online über Knackis, die im Strafvollzug Richterroben nähen:

Sechs Meter ist die Mauer hoch, die die rund 900 Gefangenen in Straubing von der Außenwelt trennt. Und während viele noch immer glauben, dass die Inhaftierten ihren Tag mit Tütenkleben und Kerzenziehen verbringen, herrscht hinter den Betonbauern ein abwechslungsreiches Arbeitsleben.

Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das „Unternehmen im Gefängnis“ die Rekordsumme von 6.78 Millionen Euro, zum Beispiel mit dem Nähen von Richterroben. Grauer Pullover, dunkelblaue Hose, schwarze Schuhe, kurz geschnittenes Haar. Das ist die Einheitskleidung im Gefängnis. Und genauso eintönig sieht oftmals auch der Alltag der Häftlinge aus.

Im Gefängnis von Straubing ist das anders. Peter ist 46 Jahre alt, seit neun Jahren sitzt er schon im Straubinger Gefängnis, vier bis fünf Jahre hat er noch vor sich. Wie einer grober Knacki wirkt Peter nicht. Seine Hände, die auch zuschlagen konnten, fädeln jetzt geschickt den Faden ins Nadelöhr.

Im Knast hat Peter eine Schneiderlehre gemacht, seine Gesellenprüfung sogar mit der Note 1 bestanden. Er näht Dirndlkleider für Fahnenweihen, die Kostüme der Cheerleader der Straubing Tigers und Roben für Richter und Staatsanwälte.

Viele Häftlinge machen den Abschluss in einem von 20 verschiedenen Berufen, oft den ersten Abschluss ihres Lebens. Sechs derzeitige Häftlinge in der JVA Straubingwaren so fleißig, dass sie inzwischen mitten in einem Fernstudium stecken. Insgesamt arbeiten 600 der 860 Häftlinge, darunter auch Schreiner. Ihr größter Auftrag: Die Möbel der Kantine im Bayerischen Landtag.

Andere arbeiten als Drucker, Buchbinder, Schlosser oder Elektriker, wie zum Beispiel der 44-jährige Ralf. Er repariert fast alles, was in der Anstalt anfällt, von der Waschmaschine bis hin zum Elektroherd. Das stärkt das Selbstvertrauen, hat aber auch noch einen anderen Effekt: Gut einen Euro erarbeitet sich Ralf in der stunde, davon kann er sich dann Extras im Gefängnisshop kaufen wie Zigaretten oder Kaffee.

Rund 6,8 Millionen Euro hat die JVA in Straubing im vergangenen Jahr erwirtschaftet – eine Rekordsumme, die in die Staatskasse fließt. Das freut auch Anstaltsleiter Matthias Konopka. Doch die Arbeit im Gefängnis bringt mehr als Einsparungen. Denn die Ausbildung ist wichtig für die Resozialisierung, betont der Anstaltsleiter. Peter zum Beispiel hat durch seine Schneiderlehre wieder einen Sinn im Leben gefunden. Wenn er wieder draußen ist, will er noch die Meisterprüfung machen.

Ethik oder Ökonomie? Wofür man sich auch immer entscheidet … darüber nachzudenken lohnt, warum ein Strafgefangener per Stunde einen Euro beim Robennähen bekommt und die JVA den Gewinn einheimst, den der stattliche Robenpreis erbringt, den die JVA, angelehnt an die üblichen Robenpreise, erzielt. Auch unter dem Deckmantel „Resozialisierung“ lässt sich Ausbeutung letztendlich nicht verstecken.

4 Kommentare zu “Knacki darf Roben nähen

  1. Und nebenbei handelt es sich auch um eine Markverzerrung. Da wird über die Produktion in den Billiglohnländern gemeckert, weil diese inhuman und unter Zwang geschehe. Auch würde dies den Markt verzerren. Und dann kommt ein Hoheitsträger daher und verzerrt den Markt selber – ebenfalls mit Zwang.
    Arbeit im Knast ist sinnvoll. Aber entweder die Gefangenen müssen dafür auch die in Dt. marktübliche Entlohnung bekommen oder aber die Ware muss so abgesetzt werden, dass sie eben nicht den Wettbewerb schädigt.

  2. Ja Malte S., es müsste grundsätzlich marktüblich entlohnt werden. Auch die Sozialabgaben Krankenversicherung, Renten- und Arbeitslosenversicherung müssten wie in der Wirtschaft üblich bedient werden.

  3. Bei allem Ärger über Wettbewerbsverzerrungen darf trotzdem nicht vergessen werden, dass der „Knacki“ durch seine meist nicht ganz unverschuldete Anwesenheit in der JVA den Staat erheblich mehr kostet, als er ihm durch Zulassung seiner „Ausbeutung“ wieder zuführt. I.Ü. ist es m.W. nach so, dass die Knackis ganz gerne und ausschließlich freiwillg arbeiten.

    Ich hatte i.ü. auch den Erwerb einer Knacki Robe erwogen, u.a. weil ich die Vorstellung ganz amüsant fand. Ich bin dann aber doch auf eine aus Ihrem Haus gekommen, nicht etwa, weil mir die Ausbeutung zuwider wäre, sondern vielmehr die in der JVA verwendeten Materialien, u.a. nämlich Polyester. Das möcht ich im Sommer nicht obendrauf tragen müssen….

    Beim Wettbewerb also lieber die eigenen positiven Eigenschaften in den Vordergrund als versuchen, dem Gegner Tiefschläge zu verpassen…

  4. Die Arbeit an sich ist ja auch nicht das Hauptproblem. Das liegt vielmehr an der Marktverzerrung, die durch die preiwerter produzierten Waren zu Gunsten der staatlichen Einrichtungen eintritt. Wenn der Hoheitsträger sich entscheidet, mit diesen Produkten in den offenen Markt einzutreten, dann muss er dies auch mit marktüblichen Konditionen tun und darf noch von seinen hoheitlichen Rechten profitieren.
    Zwang wie in den Billiglohnländern existiert hier nicht. Dafür aber ein finanzieller Zwang. Arbeitet der Gefangene nicht und ist auch nicht davon befreit, so werden ihm i.d.R. die Kosten für Unterbringung und Verpflegung auferlegt. Da diese sich schon schön schnell summieren können, besteht eine psychische Zwangswirkung.

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